Gerade jetzt im Winter sieht man sie in der früh einsetzenden Dunkelheit wieder besonders häufig. Nicht nur auf Friedhöfen, sondern auch links und rechts stark befahrener Autobahnen oder am Rande von gefährlichen Landstraßen – meist der Ort eines tödlichen Verkehrsunfalls. Die Rede ist von Grablichtern, deren eigentlich ganzjährige „Saison“ in den dunklen Wintermonaten ihren Höhepunkt erreicht. Selbst diejenigen, die keine Gräber pflegen und daher auch keine Friedhofsbesuche machen, kennen Grablichter sehr gut – und sei es nur aus den Regalen der örtlichen Super- und Drogeriemärkte, welche die meist in rote Kunststoffgehäuse gehüllten, naturweißen Kerzen ab Mitte Oktober anbieten.
„Stichtag“ zum Aufstellen der Grablichter ist der 1. November – Allerheiligen, der Tag, an dem wir Christen in Europa der Toten gedenken und ihnen dieses Licht zur Erhellung der Dunkelheit mitgeben. Nach unserer Tradition ist ein Grablicht das letzte Geschenk, welches eine geliebte und nun verstorbene Person auf dem vor ihr liegenden Weg begleiten soll. Nicht nur, damit sie sich nicht verirrt, sondern auch als Trostspender und Mutmacher, als Sinnbild für Hoffnung und Leben. Und damit sei auch schon die zweite symbolische Wirkung des Grablichtes angedeutet: Es steht für den lebendigsten und unsterblichen Teil der Seele, also für den Geist und die Liebe.
Da all diejenigen, die ein solches Grablicht aufstellen – völlig gleich, ob an einem Unfallort oder an der letzten Ruhestätte eines Menschen – versuchen dafür zu sorgen, dass jenes Licht niemals erlischt und somit ewig brennt, repräsentiert es zudem auch die Hoffnung auf Wiedergeburt und ewiges Leben. Auf diese Weise sind Grablichter mit dem christlich-religiösen Leben eng verbunden und Teil unserer heutigen europäischen Kultur. Kaum zu glauben, dass ihre Symbolik auf uralte keltische Bräuche zurück gehen soll, im Rahmen derer in der Nacht vor Allerheiligen an den Gräbern Lichter aufgestellt wurden, damit die Geister der Verstorbenen zum Himmel aufsteigen konnten.